Liegt es daran, dass wir in Deutschland sind? Liegt es vielleicht an einer Zunft, die einfach nicht verstehen will, dass das Veränderungstempo jeden Tag anzieht? Ist Anspruchsdenken und Besitzstandswahrung eine Grundkompetenz deutscher Medienschaffender?
Wir erinnern uns zurück, November 2009. Das deutsche Zeitungswesen feiert die Innovation in Form von Bezahlapps für das iPhone, die über den Apple App Store vertrieben werden. Endlich gibt es DIE Lösung für das „Problem“ Internet, in dem Content einfach kostenlos ans gemeine Volk verteilt wird. Über die Apps haben jetzt Kunden einen „Convenience“-Vorteil – der Content wird teilweise früher, teilweise in einer sehr user-freundlichen Art präsentiert und der Kunde bezahlt in Spannen, die erschwinglich scheinen und als Geschäftsmodell die Verleger positiv in die Zukunft blicken lassen.
Wir spulen nach vorne, befinden uns Ende Februar in Deutschland und können uns nicht ganz wehren – Fremdschämen scheint angesagt. Da sagt der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Zeitungsverleger Wolfgang Fürstner im Gespräch mit Spiegel Online: „Wir können und werden als Verlage unsere Seele nicht verkaufen, nur um ein paar Kröten von Apple zu bekommen. Heute passen dem Konzern nur nackte Brüste und andere angeblich sexistische Inhalte nicht und morgen sind es wichtige gesellschaftliche und politische Themen, die den Verantwortlichen von Apple missfallen. Das ist Zensur und davor müssen wir uns schützen.“
Was ist passiert? Apple hat in seinem eigenen App Store mit Reinemachen begonnen. Solche hübschen Apps, wie das, bei dem eine barbusige Dame von innen das verschmierte Display mit einem Schwamm sauber macht, werden aus dem Store geschmissen. Generell werden Tittenapps gelöscht unter der Prämisse „No Nippels“ – und da drunter sind auch die Apps von BILD und Stern gefallen – dumm gelaufen. Wo doch – s.o. – das Geschäftsmodell so hübsch erdacht war. Und da wird dann gleich die moralische Keule herausgeholt – ZENSUR.
Nun, was ist passiert? Ein Betreiber eines Ladens hat sich sein Sortiment angeschaut, hat gesagt: „Nee, das will ich nicht mehr in den Regalen stehen haben.“ und hat die betreffenden Waren einfach mal entfernt. Hätte es sich um Herrn Schmitz, Besitzer einer Drogerie in der Müllerstrasse, gehandelt, der einfach keine Latexhandschuhe im Sortiment haben will, hätte jeder gesagt: „Sein gutes Recht! Sein Laden – er entscheidet, was da drin verkauft wird – und was nicht!“
Was ist eigentlich hier das Problem? Nun, eine Branche, die jahrelang einfach nur gepennt hat, während draussen in der Welt eine Innovation die nächste gejagt hat. Die während dessen nichts als Besitzstandswahrung gepflegt hat. Als dann alles schon zu spät war, hat man noch schnell versucht, mit auf den Zug zu hüpfen, hat versucht, das als die eigene Errungenschaft zu verkaufen. Als dann auf einmal die Innovatoren sich für ihr eigenes Produkt eine neue Stossrichtung überlegt haben, war das Gezeter groß. Aber genau das ist es, peinliches Gezeter, auf das man erwidern möchte: „Gut, dann stellt doch bitte schön ein eigenes Portal auf die Beine, wo Eure Regeln gelten. Und tut nicht so, als gäbe es irgend ein Recht auf Bestimmung, was ein Unternehmer mit seinem eigenen Produkt macht. Das klingt gerade dann, wenn es aus deutscher Ecke kommt, schlecht.“
Und vielleicht ist es Zeit für eigene Innovationen …
2 Replies to “Guter App Store, böser App Store”