Im Urlaub hat man Zeit. Im Urlaub nimmt man Dinge anders wahr als im normalen Alltag. Direkt neben unserer Bleibe war ein Restaurant. Dieses Restaurant spielte den ganzen Tag Radio – laut. Beim Frühstück auf dem Balkon gut hörbar – der Kaffee nach dem Strand auf dem Balkon untermalt und zwischendurch auch immer wieder in Shops: Radio der Marke AC, das vor allen Dingen 80er spielt, die man doch eigentlich nicht wirklich ernsthaft noch spielen kann („We Built This City„). Und die Moderatoren spucken solche wirklich emotionsgeladenen Musikverkaufen aus wie „Und das ist der perfekte entspannt durch den Feierabend Stau Song von Maroon 5 …“ Man stelle sich den geneigten Musikliebhaber im Geschäft seiner Wahl vor, der nach dem „perfekten entspannt durch den Feierabend Stau Song von Maroon 5“ fragt. Eben!
Aber, stellt man solche Überlegungen innerredaktionell an, bekommt man immer das Totschlagargument: „Das testet aber gut!“ Aha!?
Vielleicht wäre es sinnvoll, auch einmal andere Wege zu gehen: Was ist mit Download Charts, was ist mit Playlists, die Hörer zusammenstellen und die gevotet werden können. Die Spielarten sind woanders Gang und Gäbe – nur im deutschen Radio nicht.
Dazu fällt mir eine Episode aus einem Vortrag ein, den ich mal gehalten habe: Auf meinen Punkt, dass das Steuern einer Wunschsendung zum Beispiel über einen Senderblog (heute macht man das dann eher auf facebook) nicht nur Traffic auf der Seite generiert, sondern auch ein gutes Testmittel sei, um Stimmung der Hörerschaft zu beurteilen, erbostes Aufbrausen eines anwesenden Programmverantwortlichen, der doch nie auf die bewerte Testlogik verzichten mochte. Der Anstand verbat es mir, zu entgegnen, dass es sicher sinnvoll sei, sich auf das Urteil von ca. 50 bezahlten Menschen zu verlassen, die vor allen Dingen schnell wieder nach Hause wollen.
Das Problem ist doch, dass das höchste Gut des Radios, die Musik, immer und überall und fast auch für umsonst zu haben ist: Durch iPods, iPhones etc. Damit hat sich der angestammte mobile Vorteil des Radios fast ganz erledigt. Und die Frage, was kommt dann, ist nicht wirklich beantwortet. Hot-AC Sender mit jüngerem Publikum haben Social Media für sich entdeckt und damit die echte Kommunikation mit ihrer Zielgruppe – die MA Ergebnisse scheinen den Erfolg zu belegen. Und der klassiche AC Sender? Verliert, wenn er sich nicht öffnet.
Und wohin dann? Nun, z.B. in Richtung Personality. Aber das heisst auch, Mut zu haben, wirkliche Personalities auszuhalten und gewähren zu lassen. Oder auch in Formate, die Interaktion zulassen und damit immer wieder Authentizität generieren. Jedenfalls scheint ein munteres „Weiter so!“ nicht die Formel für die Zukunft zu sein, auch wenn es gut testet.
Hört, hört! 😉
Nun ja, ganz so einfach ist es nicht. Ein „Wir spielen, was wir wollen“-Radio hat sich ja auch in Amerika sehr schnell wieder erledigt, und an irgendetwas muss sich der geneigte Programmverantwortliche ja orientieren.
Downloadcharts sind ein gutes Beispiel. Einige Programmmacher sehen darin inzwischen neben den (rund 120, nicht bezahlten) Probanden, die die Musik per Telefoncallout bewerten, eine, wenn nicht DIE aussagekräftigste Musikauswahlhilfe. Aber selbst hier werden ja auch von ganz anderen Seiten Steine in den Weg gelegt. Denn oft wollen im Radio gespielte (neue) Songs vom Konsumenten käuflich erworben werden – mit dem Ergebnis, dass der Titel „noch gar nicht veröffentlicht“ ist. Auch seitens der Labelindustrie sollte hier mal ganz schnell vom „VÖ-Termin“-Denken abgerückt werden – und die Songs zum Download angeboten werden, sobald sie an die Radios gehen. Das hat zwei, in meinen Augen nicht ganz unwichtige Vorteile: Der Konsument kann den bei einem halbwegs innovativ arbeitenden Sender gehörten Song bei den einschlägigen Portalen runterladen und andere, etwas behäbigere Sender sehen anhand der Downloadcharts, dass der neue Titel xy offensichtlich Interesse beim Volk hervorruft.
Die Folge ist ein schnellerer Zyklus, in dem die Songs an den Mann (oder Frau) gebracht werden können. Und hier ist dann auch wieder das Radio nur bedingt verzichtbar: denn auf Grund der Masse und Unübersichtlichkeit an Webseiten, Portalen und Streammöglichkeiten kann das klassische Radio eine Hilfestellung oder gar eine vorselektierene Leitfunktion übernehmen.
Oda wat?
Genau – ein wunderbares Beispiel! Das wäre „Radio at it´s best!“ – als Wegweiser. Wäre eine schöne neue Rolle!