Die Justierung der Meinung

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2012-02-26_1330254039In einem sehr empfehlenswerten Artikel in der FAZ spricht der stellvertretende Chefredakteur der C´t, Jürgen Kuri, von De-Mainstreaming des Internets durch soziale Netzwerke. Damit ist die Regulation der Informationsströme gerade durch Social Communities gemeint. Während das übliche Gebaren im Netz auf Algorithmen beruht, die nichts anderes tun, als bewährtes immer wieder zu wiederholen (Google findet heraus, was man sucht und bietet ähnliches auf Grund dieser Information an – bei amazon erfährt man auch nur, was Menschen kaufen, die das gleiche Produkt wie man selbst erstanden haben. Die Verstärkung des Bekannten.), hat man in Social Communities die Möglichkeit, Informationen ausserhalb des gewohnten Stromes gewahr zu werden – unter der Voraussetzung einer bewussten Pflege der Freundeslisten.

Das macht Sinn, beobachtet man sich selbst und zumindest die vielen Videos, auf die man gestoßen ist, weil sie von Freunden im eigenen Community Wire angezeigt wurden. Auch die Realitäten sprechen eine eindeutige Sprache: Facebook überholt immer wieder google, was die Zugriffe angeht. Der einstige Monolith, der den Besucherstrom durch seine Suchfunktion ohne echte Konkurrenz regelte, hat einen ernstzunehmenden Konkurrenten bekommen.

Ob die Zukunft des Internets wirklich so aussieht, wie das David Gelernter (auch in der FAZ) beschreibt, sei dahingestellt, aber seine Beschreibung des derzeitigen Zustands, den er mit Bleigalsscheiben vergleicht, stimmt. Die meisten Angebote im Netz sind immer noch statische Seiten, die Inhalte unverrückbar aneinander reihen. Diese Strukturen werden aufgeweicht – genau – durch die Social Communities, die diese Inhalte für jeden User in seiner selbst erstellten Auswahl präsentieren.

Für die klassischen Medien ergibt sich daraus eine eindeutige Forderung, die das radikal veränderte Nutzerverhalten mit sich bringt: Weg von der Statik – hin zum individuell beeinflussbaren Content! Das herkömmliche Gebahren der klassischen Medien ist ein sendendes, eins, das von der Meinungshoheit ausgeht, eins, das einzig und allein zum einseitigen Konsum einlädt. Der Nutzer möchte aber mitreden, er möchte seine Meinung geltend machen und vor allen Dingen möchte er – auch dadurch – ernst genommen werden.

Blogs sind eine Art, damit umzugehen: Da, wo wirklich Kommentare zugelassen werden, ist sich der Autor bewusst, dass der fertige Content, die fertige Aussage des Textes erst im Zusammenspiel mit den Kommentaren entstehen kann. Ein Aspekt, der Blogs für viele User sehr interessant macht. Communities sind eine Art, mit diesem geänderten Verhalten umzugehen. Content der Community zur Verfügung zu stellen und ab diesem Moment dem Kollektiv die Ausformung zu überlassen.

Nimmt man dies wirklich ernst, muss man Redaktionen in Zukunft völlig anders ausrichten. Klassische Recherche ist unerlässlich, aber Social Media Recherche wird einen genau so wichtigen Platz einnehmen müssen. Was sind die Reaktionen unserer User und wie will „das Medium“ darauf reagieren. Also dürfte die Frage: „Was machen wir morgen?“ in der täglichen Redaktionskonferenz genau so wichtig sein wie die Frage „Wie reagieren wir auf die Reaktionen unserer User und was ergeben sich daraus für weiterführende Themen?“.

Im Endeffekt geht es darum von einer „Meinungshoheit“ zu einer „Vertrauenshoheit“ zu gelangen. Meine User vertrauen darauf, dass ich relevanten Content bereit stelle und sie und ihre Meinung mit Respekt behandle. Daraus könnte ein neues Medienverständnis werden.

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